
Stellen die IHK-Konjunkturumfrage für das Frühjahr 2025 vor: Timm Lönneker (Referent der IHK Lippe), Volker Steinbach (Präsident der IHK Lippe), Oliver Voßhenrich (Vizepräsident der IHK Lippe) und IHK-Hauptgeschäftsführerin Svenja Jochens (v.l.n.r.). Bildquelle: IHK Lippe
Wirtschaft fordert: „Jetzt muss geliefert werden!“
Die wirtschaftliche Lage hellt sich in Lippe leicht auf. Für die nächsten zwölf Monaten sehen die Unternehmen jedoch wenig Licht am Horizont. Branchenübergreifend klagen die Mitgliedsbetriebe über stark gestiegene Arbeitskosten, geringe Nachfrage, investitionshemmende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sowie zu hohe Energiekosten. Das zeigt die Umfrage der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe) zur Konjunkturlage im Frühjahr 2025. An der aktuellen Umfrage in der Zeit vom 22. April bis 7. Mai haben sich 174 Unternehmen beteiligt.
Volker Steinbach, Präsident der IHK Lippe, sieht noch keine nachhaltige, positive Veränderung: „Drei Jahre ohne Wachstum hinterlassen tiefe Spuren in der Wirtschaft und der Gesellschaft. Die strukturellen Probleme sind der Politik seit langem bekannt. Lösungsansätze hat nicht zuletzt die IHK-Organisation wiederholt und zuhauf vorgelegt. Es liegt jetzt an der Bundesregierung, die Weichen zu stellen und zügig Verbesserungen in Sachen Staatsmodernisierung und Digitalisierung sowie Standort- und Arbeitskosten herbeizuführen. Priorität muss sein, die Belastung der Unternehmen zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit wieder in den Fokus zu rücken. Die freiheitlich-demokratische Gesellschaft gilt es zu schützen – dafür ist wirtschaftliche Stärke maßgebliche Voraussetzung. Die Unternehmen wollen endlich Taten sehen.“
Branchenübergreifend schätzen 55 Prozent der Unternehmen die aktuelle Geschäftslage nur als „befriedigend“ ein (+13 Prozent gegenüber dem Herbst 2024). Nur 22 Prozent der Unternehmen beurteilen die derzeitige Situation mit „gut“ (-1 Prozent). Immerhin: Der Anteil der Unzufriedenen geht auf 23 Prozent zurück (-12 Prozent). Die lippische Industrie atmet etwas auf: „Nur“ noch 37 Prozent der Unternehmen geben eine schlechte Lage an (-24 Prozent). Auch im Handel läuft das Geschäft bei vielen Unternehmen nicht mehr so schlecht wie noch im Herbst – die Hälfte der Unternehmen hält die Lage für befriedigend (+13 Prozent). „In der Industrie sorgen offenbar Vorratskäufe aufgrund der aufgeschobenen US-Zölle zunächst für eine Art Entlastung“, interpretiert Steinbach die Zahlen.
Der Handel wiederum profitiere davon, dass die Kunden wieder etwas mehr Geld ausgeben. Im Dienstleistungsbereich und im Gastgewerbe mache sich die weiter steigende Zurückhaltung der Kunden hingegen bemerkbar. „Die Verunsicherung über die weitere konjunkturelle Entwicklung bleibt insgesamt hoch. Viele Unternehmen agieren äußerst vorsichtig, da sie die Risiken rund um die angeschlagene Konjunktur, die Zollpolitik der USA und die volatile Nachfrage fast täglich neu bewerten müssen“, so Steinbach weiter.
„Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen grundlegend verbessert werden“, fordert Svenja Jochens, Hauptgeschäftsführerin der IHK Lippe. „Unternehmen investieren dort, wo sie attraktive Bedingungen vorfinden. Wir müssen wegkommen von ewig dauernden Genehmigungsverfahren und lähmenden bürokratischen Hürden. Die Kosten müssen runter. Das Unternehmertum muss gestärkt werden. In der Gesellschaft brauchen wir wieder mehr Lust auf Leistung. Damit wir im globalen Wettbewerb nicht nach unten durchgereicht werden, muss die Bundesregierung liefern“, mahnt Jochens.
Geschäftserwartungen: Der Blick in die Zukunft ist verhalten. Branchenübergreifend erwarten nur 13 Prozent der Betriebe, dass sich das Geschäft innerhalb eines Jahres verbessern wird (-8 Prozent gegenüber Herbst 2024). Allerdings nimmt auch der Anteil der Pessimisten auf 23 Prozent ab (-6 Prozent). Die Mehrheit der Unternehmen erwartet eine gleichbleibende, mittelmäßige Entwicklung (+14 Prozent). Der Geschäftsklimaindex der IHK Lippe steigt von 90 Punkten im Herbst 2024 auf 94 Punkte im Frühjahr 2025. Der Index visualisiert die Salden der Geschäftslage und -erwartungen der Unternehmen. Dabei signalisieren 100 Punkte aus technischer Sicht eine ausgeglichene Stimmung. Seit der ersten Erhebung der Daten in 1993 hat sich in Lippe ein langjähriger, positiver Durchschnitt von 109 Punkten etabliert, Tendenz sinkend.
Die Situation der Branchen im Überblick:
Rund 44 Prozent der lippischen Industrieunternehmen bewerten die aktuelle Geschäftslage als „befriedigend“ (+12 Prozent). 37 Prozent der Betriebe bezeichnen ihre derzeitige Geschäftslage als „schlecht“. Das ist ein um 24 Prozent besserer Wert als im Herbst 2024, der für die Branche einen Negativrekord darstellte. Steigende Personalausgaben, hohe Kosten für Energie sowie Auftragsmangel in vielen Einzelbranchen belasten das verarbeitende Gewerbe schwer: „Das dritte Jahr ohne Wirtschaftswachstum wiegt wie Blei. Die Umsatzergebnisse sind rückläufig, auch wenn das erste Quartal durchaus positiv ausgefallen ist“, heißt es exemplarisch. Auch Kunden könnten zur eigenen wirtschaftlichen Entwicklung oft nur wenig belastbare Aussagen treffen, beklagt ein Unternehmen. Knapp ein Fünftel der Industrieunternehmen vergibt „gute“ Konjunkturnoten (+12 Prozent).
Im Handel verbessert sich die Lage insgesamt und die Branche blickt etwas zufriedener auf das laufende Geschäft. Für die Hälfte der Antwortenden ist die wirtschaftliche Situation aber nur „befriedigend“ (+13 Prozent). Denn die Zurückhaltung der Verbraucher:innen ist weiterhin hoch. Aufgrund anhaltender politischer und wirtschaftlicher Unwägbarkeiten werde das Geld zusammengehalten. Insgesamt sei die Nachfrage „gegenüber dem Vorjahr zwar gesunken“, bewege sich „aber noch immer im langfristen Mittel“, so ein Händler. Hinzu kommt, dass Firmenkunden weiterhin mit größeren Aufträgen zögerten. Knapp ein Drittel der Unternehmen vermeldet daher eine „schlechte“ Geschäftslage (-22 Prozent). Neben dem schwachen Konsumklima werden vor allem „Preisverfall, Personalmangel sowie eine hohe Abgabenlast für die Kunden“ als Gründe genannt. Ein Lichtblick: Wieder 18 Prozent der Händler:innen vergeben eine „gute“ Konjunkturnote (+9 Prozent).
Der Dienstleistungssektor beurteilt die Lage hingegen schlechter. Während es bei der Mehrheit von 66 Prozent nur noch „befriedigend“ läuft (+19 Prozent gegenüber Herbst 2024), beurteilt knapp ein Fünftel der Betriebe die Lage mit „gut“ (-16 Prozent). Der Branche fehlen Aufträge, da viele Kund:innen nicht mehr bereit sind, die vergleichsweise hohen Preissteigerungen der letzten Jahre zu akzeptieren: „Ein Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr“, fasst ein Unternehmen beispielhaft die wieder angespanntere Situation zusammen. Eine „schlechte“ Lage geben entsprechend 15 Prozent der Unternehmen an (-2 Prozent).
Die Geschäftslage im lippischen Gastgewerbe verbessert sich leicht. Fast die Hälfte kreuzt im Fragebogen allerdings nur „befriedigend“ an (-15 Prozent). Ein Viertel der Betriebe bewertet die wirtschaftliche Lage als „gut“ (+12 Prozent). Ebenfalls ein Viertel vergibt eine „schlechte“ Konjunkturnote (+4 Prozent): „Viele Gäste sehen bloß den gedeckten Tisch, aber nicht den Druck hinter der Kulisse. Bürokratie muss bis tief in die Nacht bewältigt werden, der Verwaltungsaufwand wächst immer weiter an. Mehrwertsteuer hin oder her, der Mindestlohn und allgemein steigende Kosten führen an den Rand wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit“, so die schonungslose Rückmeldung eines Unternehmens hinsichtlich der massiv gestiegenen Herausforderungen.
Geschäftsrisiken: Branchenübergreifend liegen die größten Herausforderungen der lippischen Wirtschaft in den hohen Arbeitskosten (63 Prozent, +4 Prozent im Vergleich zum Herbst 2024, weiterer Negativrekord im Vergleich zum Herbst), den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (62 Prozent, unverändert), im schwachen Inlandsabsatz (59 Prozent, -10 Prozent), den hohen Energie- und Rohstoffpreisen (50 Prozent, -2 Prozent) sowie dem Fachkräftemangel (39 Prozent, -2 Prozent). Gerade der geringere Auslandsabsatz (31 Prozent aller Antworten, +6 Prozent) stellt für die exportorientierte lippische Industrie ein Problem dar: Mehr als vierzig Prozent der Industrieunternehmen geben an, dass die Exportmenge im Vergleich zum Vorjahr gefallen sei. Finanzierungs- und Wechselkursrisiken steigen in der aktuellen Umfrage ebenfalls weiter an.
Als Reaktion auf die Geschäftsrisiken plant mehr als die Hälfte der Betriebe Maßnahmen zur Rationalisierung, Automatisierung und Digitalisierung (53 Prozent, +2 Prozent im Vergleich zum Herbst 2024). Um auf gestiegene Kosten zu reagieren, werden voraussichtlich 39 Prozent der Unternehmen die Preise weiter erhöhen (+5 Prozent). Hinsichtlich des Personals möchte ein Drittel der Unternehmen die Kompetenzen der Mitarbeitenden stärken bzw. diese weiterbilden (+1 Prozent). Positiv: 27 Prozent der Betriebe wollen ihre Innovationskraft erhöhen (-5 Prozent) und mehr als ein Viertel will neue Märkte erschließen (-3 Prozent).
Finanzlage: Erfreulich ist, dass für 69 Prozent der Betriebe die Finanzlage unproblematisch ist (-6 Prozent). Im Umkehrschluss hat jedoch jedes dritte Unternehmen finanzielle Probleme: 26 Prozent der Betriebe kämpfen mit einem Rückgang des Eigenkapitals (+11 Prozent). 23 Prozent leiden zudem unter Liquiditätsengpässen (+2 Prozent). Hauptmotiv für Investitionen bleibt der Ersatzbedarf mit 73 Prozent (+2 Prozent). Reine Investitionen in Rationalisierungsmaßnahmen streben hingegen 45 Prozent an (+9 Prozent). Der Anteil derjenigen, die in Produktinnovationen investieren wollen, sinkt auf 38 Prozent (-4 Prozent). Nur 15 Prozent der Betriebe planen, die betrieblichen Kapazitäten auszuweiten (-6 Prozent). Investitionen in Maßnahmen zugunsten des Umweltschutzes bzw. zur Steigerung der Energieeffizienz geben 15 Prozent an (+1 Prozent).
Hauptmotiv gegen Investitionen bleibt in mehr als sechs von zehn Fällen die zu geringe Nachfrage (-4 Prozent gegenüber Herbst 2024). Bei gut einem Viertel sprechen vorhandene Kapazitätsreserven dagegen (-4 Prozent). Bei 23 Prozent der Unternehmen stehen administrative Hemmnisse Investitionen im Weg (+0 Prozent). Der Mangel an Eigenkapital hindert gut ein Sechstel daran, zu investieren (-3 Prozent). Zu hohe Fremdkapitalzinsen wiederum halten 10 Prozent von Investitionen ab (-10 Prozent). Und rund 4 Prozent der Unternehmen erzielen eine bessere Rendite, wenn sie in Finanzanlagen investieren (-1 Prozent).
Beschäftigungspläne: Aufgrund der anhaltend schwachen Konjunktur planen nur knapp 14 Prozent der Unternehmen in Lippe, innerhalb eines Jahres Arbeitsplätze zu schaffen (+4 Prozent gegenüber Herbst 2024). Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und einer konjunkturellen Trendwende hält die wachsende Mehrheit der Unternehmen aber weiter an ihren Beschäftigten fest: So soll die Zahl der Mitarbeitenden bei knapp zwei Drittel der Betriebe gleichbleiben (+7 Prozent). Vermutlich wird allerdings ein gutes Fünftel der Betriebe das Personal reduzieren, um sich an die schwache Auftragslage anzupassen (-11 Prozent).
Pressemeldung: IHK