
Svenja Jochens
IHK Lippe vermisst Fokus zur Überwindung des Stillstandes!
Zölle, Geopolitik, Verlust der Standortwettbewerbsfähigkeit – aber Koalitionsverhandlungen im Klein-Klein: Angesichts der herausfordernden wirtschaftlichen Lage vieler lippischer Unternehmen fragt sich Svenja Jochens, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe), wie die neue Regierung ansetzen will, um den Wirtschaftsstandort Deutschland konkret bewusst zu stärken. Die IHK Lippe vermisst aktuell den wirtschaftspolitischen Fokus; die bisherigen Zwischenergebnisse sind unzureichend und tragen der sich zuspitzenden Lage in den Unternehmen und Betrieben nicht Rechnung. Dabei ist klar: Schulden allein lösen keine Probleme, ohne tiefgreifende Reformen geht es nicht.
„Die Welt schafft Fakten, niemand wartet. Es wird dringend Zeit für Tempo!“, bringt es Jochens auf den Punkt. Sie beobachte, dass nach den Krisenbeschlüssen zu den Sonderschulden die Koalitionsverhandlungen zurück in den politischen Alltag verfallen seien und statt klarem Fokus immer neue Ausgabenwünsche diskutiert würden. „Dabei“, so Jochens mit Blick auf die Sorgen des Wirtschaftsstandorts, „fehlt der deutliche Blick auf die Überwindung des Stillstandes“.
Die wirtschaftliche Lage in Lippe spitzt sich hingegen immer weiter zu, insbesondere in der Industrie: In den 111 lippischen Betrieben des verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten wurde im letzten Jahr ein Umsatz von rund 7,5 Mrd. Euro erwirtschaftet und somit 6,3 Prozent geringer als 2023. Zum Vergleich: Das Minus in NRW beträgt 4,2 Prozent. Hinzu kommt, dass in Lippe der Auslandsumsatz im vergangenen Jahr um 6,5 Prozent geringer ausfiel (NRW: -3,3 Prozent). Auch das Inlandsgeschäft nahm in Lippe um 6,1 Prozent ab (NRW: -5,1 Prozent).
„Ohne günstige Energie und eine wirtschaftlich belastbare Perspektive – mit wettbewerbsfähigen Steuern und einer auf Umsetzung ausgerichteten Bürokratie – verlieren wir die hier angestammte Industrie. Die aktuellen Nachrichten vom Abbau und der Verlagerung von Jobs ins Ausland bilden erst den Anfang“, fürchtet die IHK-Chefin als Konsequenz. „Oberste Aufgabe der neuen Bundesregierung ist es, Deutschland jetzt aus der Rezession zu führen. Sonst sind weder die heutigen noch die zukünftigen Ausgabenwünsche finanzierbar“, Jochens weiter. Angesichts des Wachstumsrückstands habe man die Verpflichtung, das Geld klug zu investieren – und zwar dort, wo die Rendite für die Gesellschaft am größten ist, an einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort.
Laut IHK-Standortumfrage aus dem Frühjahr 2025 ist der Handlungsdruck enorm: Im Ergebnis besteht vor allem bei vielen „harten“ Wirtschaftsfaktoren dringender Handlungsbedarf. Aus Sicht der Unternehmen ganz oben steht der Bürokratie- und Regulierungsabbau (für 96 Prozent wichtig, knapp 89 Prozent sind unzufrieden), dicht gefolgt von den hohen Energiekosten (95 Prozent wichtig, 86 Prozent unzufrieden). Auf den weiteren Plätzen folgt Kritik an Geschwindigkeit und Ablauf von Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren (94 % vs. 83 %) sowie der Gewerbesteuer (90 % vs. 74 %) und Grundsteuer (87 % vs. 75 %).
Mit Blick auf die Sonderschulden hält die IHK Lippe fest, dass die aktivierten Mittel reserviert sind, um die Infrastrukturen wieder funktionstüchtig zu machen. Damit sich die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte nicht wiederholen, brauche es zusätzlich eine neue, politische Selbstverpflichtung. Mit Geld allein ist es dabei nicht getan. Erfolg werde man nur haben, wenn man in die Umsetzung komme. Konkret bedeutet das für Jochens: „Wir benötigen bessere Verfahren für Planung und Genehmigung, damit das Geld auch da ankommt, wo es gebraucht wird. Sonst wird das nichts!“
Mit Blick auf Berlin bedeutet das, dass CDU, CSU und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen die Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung stellen müssen. „Ansonsten“, so Jochens Warnung, „geraten Unternehmen und Betriebe im Standortwettbewerb immer mehr ins Hintertreffen. Unser Land verliert dann an wirtschaftlicher Stärke. Stärke, die Deutschland braucht, um seinen Wohlstand, seinen sozialen Zusammenhalt und seine Sicherheit zu gewährleisten! Diese Fakten sind unbestreitbar!“
Pressemeldung: IHK