Mit diesem Ausgang hatten 15 Minuten vor dem Ende der Begegnung wohl nur die wenigsten gerechnet! Der TBV Lemgo Lippe erwischte am Freitagabend lange nicht seinen besten Tag, bewies in der Schlussviertelstunde jedoch unglaubliche Moral und belohnte sich wenige Sekunden vor dem Ende tatsächlich noch mit einem 35:35 (12:16)-Punktgewinn beim HSV Hamburg. Damit bleiben die Lipper auch im dritten Auswärtsspiel der Saison ungeschlagen.
Doch von vorne! Wie bereits in Wetzlar musste Kehrmann auch gegen den HSVH auf die angeschlagenen TBV-Profis Adam Nyfjäll und Hendrik Wagner verzichten, die erneut von Meeno Carstensen und Benjamin Bröhl vom Team HandbALL vertreten wurden. Die Lemgoer lieferten sich in der ersten Halbzeit lange das erwartete Duell auf Augenhöhe mit dem HSV Hamburg, hatten dabei jedoch mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen. In der Anfangsphase tat sich die TBV-Defensive schwer gegen den druckvollen Hamburger Angriff und griff zu oft zum Foul. Andersen und Jörgensen blieben von der Siebenmeterlinie eiskalt und stellten früh auf 2:4 (7.).
Im Angriff verzweifelte Lemgo zunächst an Hamburgs Keeper El-Tayar, der mit mehreren Paraden glänzte. Nur Samuel Zehnder fand Mittel gegen den Ägypter und sorgte mit seinem Jubiläumstreffer für ein Highlight aus Lemgo-Sicht: Im 100. Ligaspiel für den TBV erzielte der Schweizer sein 500. und gleich darauf auch sein 501. Tor (4:5, 11.).
Anschließend fand der TBV zunehmend besser in die Defensive und konnte durch den abschlussstarken Joel Willecke zum 7:7 ausgleichen. Doch Hamburgs Sauter war kaum zu stoppen, erzielte bereits früh seinen vierten Treffer zum 9:9 (20.) und legte zusätzlich per Assists auf – an sechs der ersten neun HSV-Tore war er beteiligt. Willecke hielt mit seinem vierten Treffer (21., 10:10) dagegen, musste aber wenig später mit seiner zweiten Zeitstrafe aufpassen, nicht vorzeitig vom Feld geschickt zu werden.
In den letzten Minuten der ersten Halbzeit fehlte den Lemgoern dann auch das nötige Quäntchen Glück: Abpraller landeten bei Hamburg, und obwohl Kastelic gegen Mortensen zunächst stark parierte, fiel der Ball über Umwege doch zum 14:11 ins Tor. Zudem war El-Tayar weiter nicht zu überwinden, parierte gegen Schagen bereits seinen neunten Wurf. Der TBV taumelte und agierte ungewohnt hektisch. Kastelic verhinderte gegen den frei durchgestarteten Andersen einen Fünf-Tore-Rückstand zur Pause (12:16).
Der TBV Lemgo Lippe kam mit viel Wut im Bauch aus der Kabine, startete den zweiten Abschnitt jedoch denkbar unglücklich: Ein Ballverlust wurde von Mortensen im Tempogegenstoß sofort bestraft (32., 12:17). Auch in der Folge unterliefen den Lemgoern zu viele einfache Fehler, ehe Hutecek nach eigenem Ballverlust wütend Verantwortung übernahm und zum 19:15 traf (34.).
Anschließend stabilisierte sich der TBV und fand zu mehr Ruhe im Spielaufbau zurück. Nach einer Parade von Kastelic setzte sich Carstensen ab und verkürzte auf 21:19 (38.). Doch ausgerechnet in dieser Phase kassierte Theilinger eine Zeitstrafe. Den zusätzlichen Raum nutzte Jörgensen zur erneuten Drei-Tore-Führung für die Gastgeber, ehe er nach einem Steal ins leere Tor sogar auf 19:23 erhöhte. Lemgo blieb zwar dran – Versteijnen verkürzte auf 22:25 (42.) – doch Hamburg hatte fast immer die passende Antwort parat und baute den Vorsprung rasch wieder aus.
Sauter, ohnehin kaum zu bremsen, erhöhte mit seinem bereits seinen zehnten Treffer auf 23:28 (44.). Dem TBV schien das Spiel nun völlig aus der Hand zu gleiten, während sich der HSVH in einen regelrechten Rausch spielte. Als Andersen in der 45. Minute zum 24:30 für die Hanseaten traf, schien das Spiel vorentschieden. Doch die Lemgoer Spieler gaben nicht auf, kämpften verbissen und kamen durch einen 4:0-Lauf wieder heran (50., 28:30). Sauter war allerdings weiter der entscheidende Mann auf Hamburger Seite, erziele drei Tore in Serie zum 30:33 (53.).
Lemgo bewies Moral: Beim Stand von 31:33 (55.) hatte der TBV schließlich die Chance auf ein Tor heranzukommen. Suton übernahm Verantwortung und verkürzte auf 32:33. Drei Minuten vor dem Ende nahm Kehrmann seine letzte Auszeit, doch Schagen scheiterte kurz darauf von außen (33:35, 58.). Hamburg witterte die Entscheidung, doch Keeper Möstl hielt die Lemgoer im Spiel. Simak fasste sich ein Herz und stellte den Anschluss zum 34:35 her (59.).
In der dramatischen Schlussminute überschlugen sich schließlich die Ereignisse. Willecke kassierte nach seiner dritten Zeitstrafe die Rote Karte, kurz darauf wurde auch ein Foul von Suton gegen Jörgensen überprüft – Hamburg erhielt jedoch nur einen Siebenmeter. Der bis dahin fehlerfreie Casper Mortensen trat an, und Möstl, der zuvor einen durchwachsenen Abend erlebt hatte, parierte 23 Sekunden vor dem Ende. Auf der Gegenseite tankte sich sein österreichischer Teamkollege Hutecek entschlossen durch und traf zehn Sekunden vor dem Ende zum 35:35-Ausgleich. In einen letzten Wurf von Lassen warfen sich alle Lemgoer mit letzter Kraft und verhinderten den K.O. in letzter Sekunde. Beste Lemgoer Werfer waren mit sechs Treffern Hutecek und Suton.
Mit dem Unentschieden setzt sich der TBV mit nun 7:3-Punkten weiterhin in der oberen Tabellenhälfte fest und belegt bis Samstag vorübergehend Platz 4. Am kommenden Donnerstag (25.9., 19 Uhr) bekommen es die Lipper am 6. Spieltag der DAIKIN HBL mit dem bislang noch punktlosen Aufsteiger Bergischer HC zu tun. Bislang wurden knapp 3.700 Tickets für das wichtige Heimspiel verkauft. „Wir brauchen jeden Lipper am Donnerstag in der Halle! Die Mannschaft hat sich die Unterstützung in den letzten Wochen absolut verdient“, ruft Kehrmann die Lemgoer Fans auf.
Florian Kehrmann nach dem Spiel: „Handball kann wirklich verrückt sein. In der ersten Halbzeit hatten wir eigentlich ein ausgeglichenes Spiel über etwa 20 Minuten. Dann haben wir etwas den Kopf verloren und sind mit einem Rückstand von vier Toren in die Pause gegangen, was vor allem an zu vielen Fehlern lag. In der zweiten Halbzeit sind wir gut ins Spiel zurückgekommen, haben dann aber wieder unnötige Fehler gemacht und sind zwei- bis dreimal in Unterzahl geraten. Bei einem Rückstand von sechs Toren in der 45. Minute war das Spiel gegen so eine Mannschaft eigentlich schon entschieden.
Trotzdem haben wir die Ruhe bewahrt, vorne weiterhin sehr gute Lösungen gefunden und in der letzten Viertelstunde sehr leidenschaftlich verteidigt. Wir konnten den Gegner oft ins Zeitspiel zwingen und haben uns am Ende den Punkt erkämpft. Ob das verdient ist oder nicht, bleibt immer offen. Respekt an die Mannschaft, dass wir mit einem kleinen Kader so einen intensiven Fight aufs Spielfeld gebracht haben. Heute haben zwei Teams gegeneinander gekämpft, bei denen vieles stimmt, und am Ende sind wir froh, hier einen Punkt mitgenommen zu haben.“
HSV Hamburg – TBV Lemgo Lippe 35:35 (16:12)
HSV Hamburg: El-Tayar (9 Paraden), Haug (2 Paraden); Gadza, Magaard 1, Norlyk, Kofler, Lassen 5, Jörgensen 4/1, Weller 1, Geenen, Botta, Levermann, Andersen 3/1, Olafsson, Sauter 13, Mortensen 8/1
TBV Lemgo Lippe: Möstl (4 Paraden), Kastelic (3 Paraden); Hutecek 6, Theilinger 1, Zehnder 4/4, Simak 4, Schagen 3, L. Carstensen 3, Suton 6, Willecke 5, Versteijnen 3, Bröhl, M. Carstensen
Pressemeldung: TBV