
Der gesamte UNI DIV DAY OWL 2025 wurde von Studierenden konzipiert und umgesetzt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Innenarchitekturstudentin Lydwine Nitidem. Foto: TH OWL
Am Dienstag, 27. Mai, wurde der Kreativ Campus Detmold der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) zum Schauplatz für gesellschaftlichen Dialog, kreative Impulse und gelebte Diversität: Gemeinsam mit der Universität Bielefeld, der Hochschule Bielefeld, der Universität Paderborn, der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und der Hochschule für Musik Detmold veranstaltete die TH OWL den ersten UNI DIV DAY OWL, einen interdisziplinären Aktionstag im Rahmen des Deutschen Diversity-Tages, bei dem ausschließlich Studierende das Programm gestalteten.
„Wie wollen wir miteinander leben – und welche Potenziale stecken in unserer Vielfalt?“ Diese zentrale Frage stellte Moderatorin Lydwine Nitidem zum Auftakt der Veranstaltung. Ein Livestream auf YouTube machte das neue Talk-Format „DIV TALKS OWL“ bundesweit sichtbar. Sieben Studierende aus unterschiedlichen Fachrichtungen präsentierten live ihre Ideen, Abschlussarbeiten und gesellschaftlichen Visionen rund um Diversität, Inklusion, Intersektionalität und soziale Nachhaltigkeit. Die Vorträge verbanden Theorie mit Praxis, Kreativität mit Haltung und zeigten: Vielfalt ist kein Modethema, sondern ein zukunftsweisendes Prinzip für Bildung, Gestaltung und Miteinander.
Von Design bis politische Bildung: Die Talks im Überblick
Den Auftakt machte Lina Vogel, Absolventin der Innenarchitektur der TH OWL. In ihrer Bachelorarbeit „Mosaic of Humanity“ entwickelte sie einen Onlineshop mit selbstillustrierten Figuren. Diese sogenannten Cutouts für Architekturbüros sollen Vielfalt sichtbar machen, indem sie unterschiedliche Körperformen, Kulturen und Lebensrealitäten repräsentieren. Ihre Kernbotschaft: „Inklusion beginnt nicht erst im gebauten Raum. Sie beginnt im Bild, im Entwurf, in unserer Vorstellung.“
Wie gestalterische Prozesse aktiv für mehr Teilhabe sensibilisieren können, zeigten auch Viktoria Proffen und Lara Hartmann. Die beiden Innenarchitektur-Absolventinnen entwickelten das „Dive-in Toolkit“, ein interaktives Workshopformat zur Untersuchung von Vielfalt, Chancengleichheit und Teilhabe im räumlichen Kontext. Das Toolkit besteht aus sieben strukturierten Schritten: von der Einladung einer betroffenen Person, über Perspektivwechsel, Raumanalyse, gemeinsame Rundgänge und Gruppenarbeit bis hin zu Ideenbildung, Mini-Mock-Ups und Reflexion. Unterstützt wird der Prozess durch analoge Materialien wie Perspektivkarten, Reflexionsblöcke und eine Mini-Mock-Up-Matte als Spielfläche. In der Praxis wurde das Toolkit bereits erfolgreich erprobt, unter anderem im Detmolder Bülowblock, wo es zur farblichen Markierung von Treppenstufen und Etagen zur besseren Orientierung beitrug.
Vorstandsmitglied des CSD Lippe e.V., Joey Brouwer, hat soziale Arbeit an der Hochschule Bielefeld absolviert und betonte die Bedeutung intersektionaler Sichtweisen für politischen Aktivismus. Die Wurzeln des Konzepts wurden in diesem Vortrag nahgebracht – mit Rückgriffen auf Sojourner Truth und Kimberlé Crenshaw zeigte Brouwer auf, wie verschiedene Diskriminierungsformen miteinander verwoben sind und wie wichtig kollektives Mitgefühl und Verständnis sind. „Wir können nur etwas verändern, wenn wir es gemeinsam tun.“ Besonders eindrücklich blieb der Appell, dass das Bewusstmachen und Anerkennen eigener Privilegien niemandem schadet, aber entscheidend dazu beiträgt, eine Gesellschaft zu gestalten, in der Chancengleichheit möglich wird.
Tatjana Lüke, Gleichstellungsreferentin des AStA der Universität Paderborn, berichtete über die gelebte Diversity-Kultur auf dem Campus. Mit Impressionen von vergangenen Aktionstagen und Einblicken in Awareness-Konzepte stellte sie konkrete Umsetzungsbeispiele vor, wie Barrieren für Studierende unterschiedlicher sozialer oder kultureller Hintergründe an ihrer Universität abgebaut werden können.
Atlas Bohlmann, Kommunikationsdesigner, präsentierte mit „Opisata – queere Utopien“ eine kreative Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen queerer Jugendlicher. Seine Abschlussarbeit entwirft eine positive Gegenwelt zu gängigen Dystopien: mit den Grundwerten Selbstbestimmung, Barrierefreiheit, Aufarbeitung der Vergangenheit und gegenseitiger Fürsorge – auch für die Natur.
Elena Entrup, Absolventin der TH OWL, sprach offen über ihre Erfahrungen mit Dysmelie, einer angeborenen Fehlbildung der Gliedmaßen, und stellte ihr Abschlussprojekt „Körperpoesie – die Ästhetik des Andersseins“ vor. Der bewusst gewählte Titel „Körperpoesie“ steht dabei für eine neue, weiche und respektvolle Bildsprache, die sich von Härte und Stigmatisierung absetzt. Ihre Ausstellung porträtiert Körper mit Behinderung jenseits gängiger Stereotype und setzt sich für ein neues Verständnis von Schönheit, Würde und Menschlichkeit ein. „Mein Körper ist nicht das Problem, es ist die Umwelt, die nicht mitgedacht wurde.“
Impulse aus der Hochschule: Perspektivwechsel und gemeinsames Gestalten
Lydwine Nitidem als Studentin der TH OWL befragte Professorin Dr. Uta Pottgiesser, TH-OWL-Vizepräsidentin für Kultur, Kommunikation und Internationales, zur Bedeutung internationaler Erfahrungen für persönliche Entwicklung und kulturelle Sensibilität. Nach mehreren Jahren im Ausland weiß sie: „Man merkt oft erst, wie man selbst ist, wenn man andere Kulturen erlebt.“ Internationalisierung sei deshalb nicht nur ein akademisches Ziel, sondern eine Einladung zum Perspektivwechsel, für Studierende ebenso wie für Mitarbeitende. Die TH OWL wolle diesen Weg konsequent weitergehen: mit neuen Austauschformaten, transparenter Kommunikation und dem klaren Ziel, Diversität auch strukturell sichtbar und wirksam werden zu lassen.
Julia Etteldorf, Studentin der Innenarchitektur, und Christian Einsiedel aus dem Nachhaltigkeitsmanagement der TH OWL schlugen in einem Gespräch den Bogen zwischen Diversität und nachhaltiger Entwicklung: Nachhaltigkeit bedeute längst mehr als Umweltschutz. Sie sei ein umfassendes gesellschaftliches Konzept, das ökologische, ökonomische und insbesondere soziale Dimensionen vereint. Ziele wie Geschlechtergerechtigkeit (SDG 5) und das Verringern von Ungleichheiten (SDG 10) sind für ihn keine Randthemen, sondern Grundpfeiler zukunftsfähiger Hochschulentwicklung.
Im Nachhaltigkeitsboard der TH OWL, das unter aktiver Beteiligung vielfältiger Akteur:innen entstand, wird Diversität gezielt als Ressource verstanden: Unterschiedliche Perspektiven helfen, komplexe Herausforderungen umfassend zu analysieren und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Die Hochschule verfolgt dabei konsequent einen „Whole Institution Approach“ – für eine gerechte, inklusive und nachhaltige Hochschulkultur.
Austausch auf Augenhöhe: Workshops und Beteiligung
In den anschließenden Workshops, die von den Vortragenden konzipiert und begleitet wurden, hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, eigene Erfahrungen und Ideen einzubringen. Fragen wie „Welche Perspektiven fehlen noch?“ oder „Wie können Strukturen nachhaltig inklusiver gestaltet werden?“ wurden gemeinsam diskutiert. Abschließend wurden die Ergebnisse im Auditorium präsentiert und gemeinsam reflektiert.
Der gesamte UNI DIV DAY OWL wurde von Studierenden gestaltet – vom Programm über das Kommunikationsdesign bis hin zur Organisation des Events. Auch der professionelle Livestream, der die DIV TALKS OWL bundesweit zugänglich machte, wurde von einem studentischen Projektteam aus dem Bereich Medienproduktion der TH OWL geplant und umgesetzt.
Der UNI DIV DAY OWL war dabei weit mehr als ein Aktionstag, er war der Beginn eines langfristigen Dialogs über Teilhabe, Sichtbarkeit und strukturellen Wandel. Die beteiligten Hochschulen verstehen Vielfalt nicht als Trend, sondern als Auftrag und Zukunftschance. 2026 wird der Aktionstag an der Universität Paderborn fortgeführt.
Pressemeldung: TH OWL