
Robin Wagener (B90/Die Grünen, von links), Julien Thiede (SPD), Denis Pauli (AfD), Jens Teutrine (FDP), Eduard Schneider (Die Linke) und Kerstin Vieregge (CDU) diskutierten im eeWerk in Lemgo. Foto: Matthias Cremer / v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel
Beschäftigte in Eben-Ezer erleben barrierefreie Demokratie
Entgelt für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen, Zuwanderung und ein mögliches Zentralregister für psychisch Erkrankte: Über diese und weitere Themen haben Menschen mit Behinderungen jetzt bei eeWerk der Stiftung Eben-Ezer in Lemgo mit den Bundestagskandidaten des Wahlkreises Lippe I gesprochen. Bei der Diskussion unter dem Titel „Wir machen Demokratie barrierefrei“ bemühten sich die Politikerinnen und Politiker um leicht verständliche Aussagen, um den Anwesenden eine echte Entscheidungshilfe für die Bundestagswahl am 23. Februar zu geben.
Sind Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) finanziell ausreichend ausgestattet? „Ich bin dafür, das Entgelt zu erhöhen“, sagte CDU-Kandidatin Kerstin Vieregge auch mit Blick auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Alle anderen Kandidaten teilten diese Position. Das galt allerdings nicht für eine weitergehende Forderung von Eduard Schneider von der Linken. Er möchte eine Anhebung des Entgelts auf das Mindestlohn-Niveau von aktuell 12,82 Euro pro Stunde erreichen. Beschäftigte in WfbM sind allerdings nicht auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt, sondern in einem arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnis tätig. Bei den meisten von ihnen wird das Entgelt mit einer Grundsicherung oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung verrechnet. Zudem werden ihre Renten- und Krankenkassenbeiträge bezahlt. „Werkstätten für Menschen mit Behinderungen müssen wettbewerbsfähig bleiben“, gab Julien Thiede von der SPD außerdem zu bedenken.
Die Pläne der gescheiterten Ampel-Regierung, die staatliche Unterstützung für Werkstätten zu erhöhen, hält Robin Wagener weiterhin für richtig. Der Kandidat von Bündnis 90/Die Grünen sagte, Bund und Länder müssten hier mitfinanzieren, „weil Werkstätten das Entgelt nicht allein erwirtschaften können“. Die Kandidaten von FDP und AfD sprachen sich für eine stärkere Betonung des Leistungsprinzips aus. „Wer mehr arbeitet, soll mehr Geld erhalten“, betonte Jens Teutrine, FDP-Kandidat im Wahlkreises Herford/Minden-Lübbecke II und als Vertreter des Kandidaten Torben Hundsdörfer nach Eben-Ezer gekommen. „Leistung muss sich lohnen“, sagte Denis Pauli, Beisitzer im Vorstand des AfD-Kreisverbands Lippe und anstelle von Udo Hemmelgarn vor Ort. „Schwierig“ findet Julien Thiede von der SPD diese Haltung im Zusammenhang mit WfbM, denn: „Beschäftigte sollen ihr Geld auch dann erhalten, wenn sie mal einen schlechten Tag haben.“
Rolf Schmidt aus dem Werkstattrat, der die Diskussion mit eeWerk-Vertrauensperson Jörg Burschäpers moderierte, berichtete mit Blick auf die aktuelle Migrationsdebatte von Ängsten von Werkstatt-Beschäftigten. Diese fragten sich, ob ihre Kolleginnen und Kollegen mit ausländischen Wurzeln Deutschland verlassen müssten. Alle Kandidaten sprachen sich dagegen und für die Notwendigkeit von Zuwanderung aus, um das Land trotz der alternden Gesellschaft stabil zu halten. Straftäter dürften allerdings nicht bleiben. Das müsse nach Ansicht von Denis Pauli von der AfD auch für solche Menschen gelten, „die sich nicht integrieren und dauerhaft auf Kosten der Gesellschaft leben wollen“. Eine Position, die Robin Wagener veranlasste zu betonen: „Recht und Ordnung auf der einen und Menschlichkeit auf der anderen Seite gehören für die Grünen zusammen. Dass die AfD über Ausländer schimpft, ist nicht in Ordnung. Das ist gegen die Menschenwürde.“
Einem Zentralregister für psychisch kranke Gewalttäter, wie es kürzlich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann angeregt hatte, stimmte keiner der Kandidaten vorbehaltlos zu. „Ein Register könnte helfen“, sagte Denis Pauli von der AfD zwar, äußerte zugleich aber Zweifel, dass eine solche Neuerung Taten wie in Aschaffenburg und Magdeburg verhindert hätte. Linnemanns Parteifreundin Kerstin Vieregge sagte: „Ich weiß nicht, was das bringen soll.“ Wichtiger sei es, dass Behörden miteinander kommunizierten und sich austauschten. Und genauso, dass es mehr Personal und bessere Möglichkeiten zur Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen gebe. Auch die anderen Kandidaten sprachen sich entschieden gegen ein solches Register aus. Jens Teutrine von der FDP sagte: „Es wäre falsch, alle psychisch kranken Menschen unter einen Generalverdacht zu stellen. Deshalb bin ich dagegen.“ Anders ist seine Haltung hinsichtlich der schon vorhandenen Verzeichnisse für islamistische Gefährder und Rechtsextreme. „Es gibt auch sinnvolle Register“, sagte er.
Die Veranstaltung „Wir machen Demokratie barrierefrei“ organisiert Eben-Ezer schon seit der Bundestagswahl 2013 regelmäßig. Sie wurde ins Leben gerufen, um politische Themen aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen zu beleuchten und eine inklusive politische Debatte zu fördern. Die Veranstaltung bietet eine Plattform, um Barrieren in der Kommunikation und im politischen Diskurs abzubauen und einen inklusiven Dialog zu fördern. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen aktiv in den demokratischen Austausch einzubinden. Die Kandidaten wurden vom Werkstattrat von eeWerk eingeladen. Der Werkstattrat ist die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen bei eeWerk und setzt sich aktiv für mehr Teilhabe und Mitbestimmung ein. Eben-Ezer ist seit 2022 Teil der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.
Pressemeldung: Stiftung Eben-Ezer