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Um Schadensersatzansprüche in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags abzuwenden, wird der Kreis Lippe die sieben auf der Gauseköte geplanten Windkraftanlagen nun doch kurzfristig genehmigen müssen. Das ist das Ergebnis eines Erörterungstermins vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, das in der Sache überraschender Weise anderer rechtlicher Auffassung ist als der Kreis Lippe und die Bezirksregierung Detmold.
Die Entscheidung des Kreises Lippe, die Anlagen nun doch zu genehmigen, ist in direktem Zusammenhang mit der am Montag beschlossenen Änderung des Regionalplans zu sehen. Denn diese regelt in Zukunft wesentlich klarer als zuvor, unter welchen Bedingungen Windräder beispielsweise in Waldgebieten gebaut werden dürfen. Legt man diese Vorgaben zugrunde, könnten die Windräder auf der Gauseköte nicht mehr gebaut werden. Allerdings tritt die besagte Änderung des Regionalplans erst in einigen Tagen in Kraft – noch gelten die „alten“ Vorgaben. Und die beurteilt das Oberverwaltungsgericht Münster anders als der Kreis Lippe und die Bezirksregierung Detmold – das wurde bei dem Erörterungstermin mehr als deutlich. So würde sich aus Sicht der Richter die Ablehnung als rechtswidrig erweisen. Im Umkehrschluss gilt: Der Kreis muss die Anlagen genehmigen. Die Krux: Würde der Kreis Lippe jetzt nicht vor Inkrafttreten des neuen Regionalplans die Genehmigung erteilen, kämen immense Schadensersatzforderungen auf ihn zu.
„Die Auffassung des Gerichts überrascht schon sehr. Wir waren der Überzeugung, dass auch die derzeit gültige Regionalplanung Basis dafür ist, den notwendigen Ausbau der Windkraft zu steuern und Wildwuchs von Anlagen zu verhindern. Die OVG-Auffassung ist aber das bedauerliche Ergebnis völlig schwammiger, teils widersprüchlicher und sich seit Mitte vergangenen Jahres ständig ändernder Vorgaben von Land und Bund. Auf deren Grundlage eine Entscheidung zu treffen, die auch das OVG in seiner Rechtsauffassung teilt, ist für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nahezu unmöglich geworden. Das wird an diesem Beispiel leider wieder einmal deutlich“, erklärt Landrat Dr. Axel Lehmann. „Wir brauchen dringend eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das zurzeit Windkraftprojekten eine so hohe Priorität gibt, dass eine Regulierung des Ausbaus nahezu unmöglich scheint“, stellt Dr. Lehmann klar. „Ein ‚weiter so‘ trägt jedenfalls nicht zur Akzeptanz der Bevölkerung in Sachen Windkraft bei“, ergänzt Dr. Ute Röder, zuständige Verwaltungsvorständin beim Kreis Lippe.
Der Kreis Lippe hatte vor knapp vier Wochen die Windräder auf der Gauseköte abgelehnt. Eine Entscheidung war damals zwingend notwendig und konnte aus rechtlichen Gründen nicht später getroffen werden. Der Kreis Lippe hatte die Ablehnung damit begründet, dass eine Inanspruchnahme von Waldbereichen für den Ausbau der Windenergie nur im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung zulässig sei. Für die beantragten Standorte – in Detmold, Schlangen und Horn-Bad Meinberg – gibt es jedoch keine kommunalen Bauleitplanungen, die eine Windenergienutzung im Wald vorsehen. Somit würden die Anlagen den Zielen der Raumordnung widersprechen, wie sie im Regionalplan OWL von 2024 (noch) vorgesehen sind. Dieser Auffassung war nicht nur der Kreis Lippe, sondern insbesondere auch die Regionalplanungsbehörde der Bezirksregierung Detmold, die dies dem Kreis Lippe im Januar 2025 in einer Stellungnahme mitgeteilt hatte.
Bereits vor der Ablehnung der Windräder vor rund vier Wochen hatte der Antragssteller beim Oberverwaltungsgericht Münster mehrere Verfahren in Gang gesetzt, um eine positive Entscheidung zu seinen Gunsten zu bekommen. Eins dieser Verfahren war zwar im Februar eingestellt worden. Im Zuge eines anderen Verfahrens hatte das Oberverwaltungsgericht aber nun kurzfristig einen Erörterungstermin anberaumt. Und dabei hatte der Richter unmissverständlich deutlich gemacht, dass der Ablehnungsbescheid aus seiner Sicht rechtswidrig sei, der Antragssteller Recht bekommen würde und eine Genehmigung erteilt werden müsse.
Aufgrund dieser gegenteiligen Auffassung des Gerichts muss der Kreis Lippe nun schnell handeln und wird die Anlagen daher kurzfristig genehmigen. Würde er das nicht tun, träte in der Zwischenzeit die oben erwähnte Änderung des Regionalplans in Kraft – und die Windräder auf der Gauseköte könnten nicht mehr gebaut werden. In diesem Fall würden aber Schadensersatzansprüche durch die Antragsteller in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags aufgrund entgangenen Gewinns auf den Kreis Lippe und seine Kommunen zugekommen, was unbedingt verhindert werden müsse. Denn die Summe würde sich auch bei der Kreisumlage bemerkbar machen. Ob es nun Klagen gegen die Genehmigung geben wird, bleibt abzuwarten.