Wieder einmal gaben die vielzitierten Kleinigkeiten den Ausschlag, diesmal jedoch zu Ungunsten des TBV Lemgo Lippe: In einem hart umkämpften, leidenschaftlich geführten Verfolgerduell beim HC Erlangen lagen die Lipper nach 54 Minuten noch mit drei Toren vorne, doch ein 4:0-Lauf der Hausherren besiegelte eine durchaus schmerzhafte, weil vermeidbare Lemgoer 25:26 (15:13)- Auswärtsniederlage zum Liga-Restart. Aber von vorne: Bis auf den am Kreuzband verletzten Thomas Houtepen konnte Florian Kehrmann nach der Europameisterschaft personell aus dem Vollen schöpfen.
Für den Niederländer rückte Connar Battermann ins Lemgoer Spieltagsaufgebot. Lemgos Winterneuzugang musste jedoch zunächst mitansehen, wie seine neuen Teamkameraden gegen die erwartet sehr aggressiv deckenden und früh störenden Hausherren offensiv zunächst nur schwer ins Spiel fanden. Zwar gingen die Lipper durch die gekonnte Körperlichkeit eines Jan Broschs nach drei Minuten in Führung, schienen gegen das energische Erlanger Abwehrbollwerk um Link, Zechel und Steinert aber zunächst darum bemüht, wieder in die Abläufe zu finden.
Die Gastgeber drehten kurz darauf den Spieß um, gingen durch Steinert nach sieben Minuten erstmals mit zwei Toren in Führung (1:3), ehe Bissel in Minute zehn einen zu unplatzierten Wurf von Niels Versteijnen mit der ersten Welle zum 2:4 bestrafte. In der Folge jedoch fand Lemgo zunehmend besser ins Angriffsspiel, agierte beweglicher und riss so Lücken in das hoch gewachsene Abwehrdickicht.
So fand sich zunächst Brosch allein auf weiter Flur, ehe Samuel Zehnder den Gegenstoß zum 4:4-Ausgleich markierte. Erlangen wirkte nun etwas überhastet, Kastelic war einmal mehr zur Stelle und Lukas Hutecek bescherte im Eilverfahren die zweite Führung des Abends (5:4). Beide Abwehrreihen gingen leidenschaftlich zu Werke, Zehnder verwandelte den ersten Strafwurf der Partie zur ersten Zwei-Tore-Führung (7:5).
Beim HCE mehrten sich die Ungenauigkeiten – und Lemgo ließ sich in dieser Phase selten zweimal bitten. Lemgo hielt die Führung aufrecht, konnte nach einem Gegenstoß von Zehnder sogar auf plus drei erhöhen (12:9). Zuvor hatte Connar Battermann seinen Einstand im Lemgoer Dress gegeben, obgleich es ein recht kurzer blieb: Erst glitt dem 19-Jährigen im Tempodribbling der Ball aus der Hand, woraufhin er seinen Gegenspieler bodycheckte.
Auf die Zeitstrafe folgten umgehend aufmunternde Worte von Kehrmann, der es wie Battermann selbst mit einer Prise Humor nahm. Hinzu kam: Die Unterzahl war nur von kurzer Dauer. Tim Suton, der immer wieder mit perfekt getimten Zuspielen seine Mitspieler gekonnt in Szene setzte, bescherte mit der Pausensirene den 15:13-Halbzeitstand.
Die Führung währte nach dem Seitenwechsel jedoch nicht lange: Die Hausherren kamen hochmotiviert aus der Kabine, drei Minuten später stand es wieder pari (16:16). Vor 4532 Zuschauern in der Arena Nürnberger Versicherung drohte ein ähnlich heißer Tanz wie im Hinspiel. Den Erlanger 4:1-Lauf krönte Nico Büdel mit seinem Führungstreffer zum 16:17 – doch Lemgo antwortete prompt, und wie. Ein herausragendes Kempa-Zuspiel von Suton fand in Zehnder den kongenialen Abnehmer. Kurz darauf – Lemgo war nach einer Zeitstrafe gegen Brosch in Unterzahl – wusste der eingewechselte Finn Zecher sofort zu glänzen.
Lemgo blieb am Drücker, eine erneute Führung ließ bis zur 48. Minute auf sich warten – auch weil zwei Zehnder-Strafwürfe in Durchgang zwei an Erlangen-Keeper Bertram Obling abgeprallt waren. Es waren Lemgos Defensivspezialisten, die in dieser Phase auch offensive Glanzpunkte setzten: So brachte Nicolai Theilinger an ehemaliger Wirkungsstätte den TBV mit seinem vierten Treffer erneut in Front (21:20), ehe Frederik Simak mit technischer Reife vor dem Tor erneut vorlegte (22:21). Nachdem Suton erfolgreich vom Punkt getroffen hatte, bestach Zehnder mit einer Wahnsinns-Szene: Erneut gelang ihm ein Steal, den daraus resultierenden Gegenstoß vollendete er selbst (23:22).
Und als wäre das nicht genug, fing er unmittelbar im Gegenzug einen Steinert-Pass ab. Den Angriffswechsel spielte Lemgo gekonnt auf den Punkt – und Simak traf sehenswert zum 25:22. Alles deutete in dieser Phase auf die Lipper hin – doch plötzlich wollte ihnen nichts mehr gelingen. Erst verkürzte Erlangen durch Christopher Bissel (25:23), dann sah Leos Petrovsky wegen zu harten Einsteigens zu allem Übel noch die Zeitstrafe gegen sich. So schmolz der Vorsprung ziemlich schnell dahin.
Trotzdem hatten es die Lipper in eigener Hand: Der TBV attackierte weniger später im Sieben-gegen-fünf – Erlangens Nikolai Link hatte eine Zeitstrafe gesehen –, ließ sich jedoch in ein Offensivfoul verwickeln. Zecher parierte in der letzten Minute sensationell gegen den heranrauschenden Jonathan Svensson, doch Erlangen blieb im Ballbesitz – und holte einen Siebenmeter heraus. Christoph Steinert verwandelte – und Lemgo blieben 16 Sekunden, um zumindest noch einen Punkt mitzunehmen. Doch Zehnder hatte an diesem Abend einmal mehr das Nachsehen gegen Keeper Obling – und Lemgo das Spiel doch noch aus der Hand gegeben.
TBV-Trainer Florian Kehrmann: „Wir haben insgesamt eine sehr leidenschaftliche Leistung gezeigt, haben alles reingepackt und wurden mit viel Härte begegnet. Trotzdem sind die Jungs dahin gegangen, wo es wehtut. Leider Gottes hat es am Ende nicht gereicht, weil wir zwei, drei Chancen ungenutzt lassen. Das müssen wir aufarbeiten. Es war sehr unglücklich, weil wir mindestens einen Punkt, wenn nicht sogar beide, verdient gehabt hätten. Jetzt freuen wir uns aber auf das Heimspiel am Sonntag vor voller Halle gegen die Rhein-Neckar Löwen, und dann bekommen wir vielleicht die entscheidenden Situationen für uns.“
TBV Lemgo Lippe: Zecher (5 Paraden), Kastelic (4 Paraden); Hutecek (2), Theilinger (4), Zehnder (6/1), Brosch (3), Battermann, Simak (2), Laerke, Schagen (1), Carstensen, Suton (6/1), Zerbe, Versteijnen, Petrovsky (1).
HC Erlangen: Obling (5/1 Paraden), Ferlin (2 Paraden); Heiny (3), Seitz (3), Bialowas, Büdel (2), Bissel (2), Svensson (5), Guardiola, Link, Jeppsson (1), Steinert (3/1), Olsson (2), Gommel, Zechel (5), Bauer.
Pressemeldung: TBV